Gestern war ich ganz aus dem Häuschen. Mit einem Bekannten unterhielt ich mich über die guten alten Zeiten. Auf einmal fragte er mich: „Hast Du früher mal die Mal-Sondocks-Hitparade gehört?“ Ich bin fast vom Stuhl gekippt!
OB ICH SIE GEHÖRT HABE??????????? ICH HABE SIE GELEBT!!!! Ich WAR die Hitparade, ich WAR Mal Sondock, ich WAR die Musik, die sie da gespielt haben! Hach, was hab ich es geliebt, dass ich dann meine ganz eigene Mal-Sondocks-Hitparaden-Anekdote erzählen durfte. Ich habe sie aus dem tiefsten Winkel meines Gedächtnisses gekramt, aber es kam mir vor, als wäre es gerade erst passiert.
Für diejenigen unter Euch, die Mal Sondock nicht kennen: Er war in den 80ern ein beliebter Radiomoderator beim WDR und jeden Mittwoch Abend um 20:05 Uhr klang aus Kossis Radiowecker (damals suuuupermodern und noch äußerst selten!) seine Hitparade. Bei Regen, Sturm, Sonne, Nebel, IMMER! Was an sich erstmal sicher nix besonderes ist.
Aber! Ich habe Musik ja schon immer geliebt und natürlich reichte es mir nicht, Mal immer nur zu hören, sondern ich wollte ja auch unbedingt alle Platten haben, die er dort abspielte. Also nahm ich sie auf. Heute würde man sagen „Ich lad mir den Song bei itunes“ und in Nullkommanix hat man den Titel auf dem Rechner, aber damals war der Aufwand echt riesig!
Kennt Ihr noch diese Kassetten-Rekorder, die so rechteckig waren und flach? Wo vorne dann so riesige Tasten waren? So ein Teil hatte ich. Und wenn ich aufnehmen wollte, hab ich dann das Mikro des Kassettenrekorders „andersrum“ auf die „Box“ des Radioweckers (natürlich in MONO) gelegt und ganz umständlich die Start- und die Aufnahmetaste gedrückt und schon hatte ich mein eigenes kleines Tonstudio!
Aber wehe es kam jemand in mein Zimmer!! Ich glaube, es gab zig Kassetten, in denen dann auf einmal mitten in „Moonlight Shadow“ von Mike Oldfield oder in „Wild Boys“ von Duran Duran eine Stimme zu hören war, die „Äääääääääääääändiiiiiiiiiiiiiiiiiii?“ rief! Das waren die ersten sogenannten aufgepeppten Remixe und sie hörten sich ungefähr so an:
„Carried away… by a mooooonlight Ääääändiiiiii Shadow….“
„99 Luftballons… auf ihrem Weeeeg zum Ääääändiiiiii Horizont….“
„You drive me Ääääändiiiiii craaaaaazyyyyyyyyyyyy….“
„Dann hebt er aaaab und vöööööllig Ääääändiiiiii loooosgelööööst von der Eeeeerdeeee….“
😀
Ääääändiiiiii…. grrrrrr…. so nennen mich nämlich meine Eltern. Die Tür ging also dann auf, „ÄÄÄÄNDDDDDIIIII“ ertönte und brannte sich direkt in das Band der Kassette hinein, mein völlig entgeisterter Blick war auf meine Eltern gerichtet, ich riss die Augen auf, sagte nichts, bildete aber mit meinem Mund, lautlos wie ein Fisch, die Worte „ICH NEHM GRAD AUF!“, nahm einen „oh“-geformten Mund wahr und daraufhin wurde die Tür wieder geschlossen. Irgendwann ging ich dann dazu über, ein Schild an meine Tür zu kleben: „Ich nehm grad auf!“ Mein Name war aber auf jeden Fall erstmal drauf auf der Kassette und ich konnte es natürlich nicht rausschneiden. Genauso wenig wie die Stimme von Mal, der natürlich immer in das Ende hineingequasselt hat.
Aber man war dann trotzdem stolz, wenn man seinen Freundinnen am nächsten Tag erzählen konnte, dass man die neue Scheibe von Nena schon auf Kassette hat! Ab damit in den Walkman, den Popperschnitt-Pony leger aus dem Gesicht geschüttelt und erstmal kackenhauerisch auf „ganz laut“ gestellt. Nur ICH konnte den Song dann richtig hören und die anderen bekamen nur dieses „Wispern“ auf die Ohren, was dann halt übrig bleibt. Schön untermalt mit Kossis eigenen Gesangskünsten (den ÄÄÄÄÄÄNDIIIIII-Teil habe ich dezent überhustet), begleitet von staunenden Mündern und gierigen Ohren der Schulfreundinnen 😀
Boah, ich habe diese Sendung sooooo geliebt und als es dann 1984 auf einmal hieß, dass die Hitparade abgeschafft werden sollte, habe ich einen total langen Brief an den WDR geschrieben. Ich habe irgendwas verlauten lassen von wegen „Ein tiefer Einbruch in meine Kindheit“ und „Entzugserscheinungen“ und „Ich finde die Schlagerralley Montags total doof, ich will Mal Sandock wieder haben!“.
Genutzt hat es nichts und die Sendung wurde dann halt nicht mehr ausgestrahlt. Aber eines Tages flatterte eine Autogrammkarte von Mal in meinen Briefkasten. Und dann sah ich ihn zum ersten Mal. Denn zuvor kannte ich eben nur die Stimme. Da saß ein graubärtiger, total nett ausschauender, leicht übergewichtiger Typ mit einem Cowboy-Hut und schaute mich freundlich an, als wenn er sagen würde „Kossi, ich bin nicht wirklich weit weg. Ich bin ganz tief drinnen in Deinem Herzen!“ Ich hab damals sogar geheult, weil ich über den Verlust der Sendung soooo traurig war. Leider habe ich auch die Autogrammkarte nicht mehr. Sie hing aber noch jahrelang neben den anderen Karten, die man als Teenie halt so gesammelt hat, an meiner Kinderzimmerwand.
Nachdem ich dann vorhin ein wenig gegoogelt habe, bin ich auf eine super Fan-Seite gestoßen, die jedes Mal-Sondock-Herzchen höher schlagen lässt!! Aber schaut selbst mal nach: Mal Sondock . Da kann man sich Ausschnitte aus alten Sendungen anhören und sich natürlich Fotos von Mal anschauen! IRRE!! Der Mann ist mittlerweile 74!! Und es war ein soooo komisches Gefühl, seine Stimme nach 25 Jahren wieder zu hören! Ich hätte schon beim Intro der Sendung heulen können! 😀 Das können sicher nur die Hörer nachvollziehen, die die Sendung damals genauso geliebt haben wie ich. Ich bin überwältigt!!
Die Teenies von heute lachen sich schlapp über die altmodischen Aufnehm-Methoden, aber so toll die Technik heute auch ist: Ich erinnere mich immer wieder gerne an diese Mittwochabende in meinem Kinderzimmer. Nur Mel, der Radiowecker Bauch an Bauch mit dem Kassettenrekorder in trauter Harmonie, und ich, begleitet von Michael Jackson, Sandra, Rick Springfield, Nik Kershaw und meinen Eltern mit dem sagenumwobenen Hit „ÄÄÄÄÄÄÄÄNDIIIIIIIIIIIIIII“! Herrlich! Ich liebe es! 😀
Und Ihr da draußen vom WDR: Bitte spielt doch einfach nochmal ein paar uralte Mal-Sandock-Sendungen! Ich bin auf jeden Fall dabei und würde, der Nostalgie wegen, die Sendung sogar auf meinem Radiowecker hören! In Mono! Und mit klopfendem Herzen! Versprochen!! 😉
@Frrrrooooank: Danke für die Reise in längst vergangene Zeiten! Ich werde sicher noch tagelang davon zehren. Ich liebe diese Gespräche, die anfangen mit „Oder kennst Du noch….?“ …. „Oder weißt Du noch….damals?“ Eigentlich müßte man mal eine 70/80er-Jahre-Party machen, bei der nicht nur die Musik von damals läuft, sondern bei der man auch nur über die Dinge reden darf, an die man sich erinnert. Ich glaube, ich könnte nächtelang durchquatschen und von Dingen erzählen wie: Cowboystiefel, Vanillia-Hosen, grüne Lackgürtel, NDW, Michel aus Lönneberga, Carlsson vom Dach, Brauner Bär, Nena, Unsere kleine Farm, Adidas-Allrounds, Knight Rider, Thompson Twins, Eine amerikanische Familie, Michael Jackson, Ciao Marco Ciao, Ilja Richter und seine „Disco“, Atari-Tennis-Spiele, Ixi, Popper, Netzhemden, Glasflaschen statt PET, Madonna, Telefon mit Wählscheibe, Fernseher in schwarzweiß, Zauberwürfel, Schweißbänder, weiße Tennissocken, Raider, Schulterpolster, Captain Future, Ronny Popshow, Pet Shop Boys, und und und….
Na? Erinnert Ihr Euch auch noch dran? 😉
P. S.: Schon damals hatte ich übrigens den Wunsch, auch Radiomoderatorin zu werden (wenn ich es richtig in Erinnerung habe, wollte ich in dem Alter allerdings sehr vieles werden 😉 ). Aber auch heute noch könnte ich mir vorstellen, eine eigene Musiksendung im Radio zu haben. Oder aber natürlich eine Büchersendung! Allerdings würde ich wohl das Zeitlimit sämtlicher Radiosendungen sprengen, denn wenn ich einmal loslege, hält mich so schnell nix auf und bei Musiksendungen würde ich sicher noch extremer IN die Songs hineinsprechen. Und zwar Dinge wie „Jetzt kommt meine Lieblingsstelle! Da! Hört Euch das mal an! Ist das nicht klasse???? Und gleich das Gitarrensolo…. und die Stimme… jetzt! Ja! Boah… toll!“ Und ich glaube, nach nur einer Sendung könnte ich dann mein Täschchen auch schon wieder einpacken hihi

Heute schreibe ich Tagebuch, damals ließ ich mich fotografieren.
Und das alles nur, weil ich den berühmten Satz auch mal anwenden möchte:
„Hey, ich war jung und brauchte das Geld!“
(P. S.: Der Schiefhals aus meiner Popper-Zeit konnte zum Glück
irgendwann non-operativ wieder gerichtet werden)
😀









